Der Heilige Geist kann nicht kommen

Veröffentlicht am 22. April 2025 um 09:05

Reinheimer Kirchen. Links: Die ev. Dreifaltigkeitskirche und rechts die kath. Kirche.

 

Dorfgeschichten aus Südhessen - von „sällemols bis heit“

Da diese Geschichten alle in Mundart erzählt wurden, wollte ich sie auch in Mundart schreiben. Doch nach längerem Überlegen nahm ich Abstand davon. Es ist leider so, dass die Mundartsprecherinnen und -sprecher auch bei uns immer weniger werden. Dazu kommt noch, dass selbst Mundartsprecher große Probleme haben Mundart zu lesen, und die junge Generation hat dazu überhaupt keinen Bezug mehr. Deshalb habe ich die Geschichten in Hochdeutsch geschrieben, auch in der Hoffnung, sie so einem breiteren Leserkreis zugänglich zu machen.
Ich habe versucht, die Dorfgeschichten in einer Sprache zu schreiben, die sich an die Mundart der Menschen anlehnt, die sie erlebt haben – so, dass deren Art zu denken und sich zu geben spürbar wird. Dabei habe ich mich darum bemüht, mich in die der Mundart eigentümliche Grammatik, einzufühlen und zu schreiben. Die Dialoge habe ich alle in Mundart geschrieben, weil sie nur so authentisch werden. Aber nach kurzem Einlesen müssten eigentlich aus deren ,Klang‘ und inhaltlicher Einbindung die richtige Bedeutung ablesbar sein.

 

De Heilische Geist konn nidd kumme ...

In einer Odenwald-Gemeinde hatte ein neuer Seelsorger seinen Dienst angetreten. Es war seine erste Pfarrstelle. Voller Eifer predigte er seiner Gemeinde das Wort Gottes, trotzdem gelang es ihm nicht, mehr Besucher in den Gottesdienst zu locken als sein Vorgänger. Dagegen galt es etwas zu unternehmen. Deshalb wollte er in diesem Jahr am Pfingstsonntag seine Gemeinde mit einer besonderen Aktion überraschen. Der Küster war leidenschaftlicher Taubenzüchter und so kam ihm die Idee, eine lebendige Taube aus dessen Zucht, als christliches Symbol für den Heiligen Geist, über dem Altarraum fliegen zu lassen. Dazu sollte der Küster auf der Empore aufmerksam seiner Predigt lauschen, um im richtigen Moment die Taube fliegen zu lassen, und zwar genau an der Bibelstelle ... der Heilige Geist kommt über Euch.
Alles lief nach Plan. Der Küster ging während der Predigt auf die Empore und wartete neben dem Korb mit der Taube, der mit einem Tuch abgedeckt war,  auf seinen Einsatz. Gegen Ende der Predigt zitierte der Pfarrer die Bibelstelle ... der Heilige Geist kommt über Euch ... Stille, nichts passiert, keine Taube flog auf. Der Pfarrer wird nervös, winkt dem Küster zu, der ihn verzweifelt anschaut und etwas hilflos wirkt. Nach abermaligem Winken des Pfarrers, das als Startzeichen für den Taubenflug verabredet war, ruft der Küster von der Empore: „De Heilische Geist konn nit kumme, denn hot die Kazz gefrässe.“

Aus dem Buch "Eisbären im Odenwald" von Peter Dotterweich

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